Die Modedesignerin Anke Sander und die Galeristin Barbara Claassen-Schmal
arbeiten zum ersten mal zusammen. Durch einen Wettbewerb für
Kunst im Öffentlichem Raum angeregt recherchierten sie im Umfeld
des Stadtteils Gröpelingen und entwickelten die Idee der G-Jacke.
Ursula Van den Busch sprach mit den beiden Künstlerinnen über
ihr Projekt.
> Wie seid ihr auf die Idee der G-Jacke gekommen?
Barbara Claassen-Schmal: Ursprünglich hatten wir eine Skulptur
geplant. Da sich aber vieles im Stadtteil noch ändern sollte,
z. B. der Verlauf von Strassen, lag es nahe, eine Skulptur zu entwickeln,
die auf keinen definierten Ort, angewiesen ist. Die G-Jacke ist
demnach eine mobile Skulptur.
> Waren das eure Überlegungen oder haben bei der Entstehung
dieser Idee die Gröpelinger schon mitgewirkt?
Anke Sander: Wir haben uns von der Situation in Gröpelingen,
so wie wir sie wahrgenommen haben, leiten lassen.
Barbara Claassen-Schmal: Zunächst einmal geht es uns um einen
anders definierten Skulpturenbegriff, also Skulptur als etwas, was
es in der Form bisher nicht gibt. Das möchten wir gerne erforschen
und ausprobieren.
Und dann kann man natürlich auch sagen, dass die Skulptur oder
die Jacke so etwas wie ein Vehikel oder ein Vorwand ist für
den Kommunikationsprozess, der uns interessiert, den wir mit den
Gröpelingern führen wollen.
Anke Sander: Wir haben uns auf eine Jacke verständigt, weil
sie ein alltäglicher Gegenstand ist. Jeder hat eine Jacke und
kann sich dazu äußern, jeder hat eine bestimmte Kompetenz
auf Grund persönlicher Erfahrungen.
Kleidung ist ein bewusstes Mittel, um sich täglich von seinen
Mitmenschen zu unterscheiden. Trotz der fortschreitenden Auflösung
der Bekleidungskonventionen bleibt die Bedeutung von Kleidung als
optischer Selbstausdruck wichtig. Kleidung kann ein Zugehörigkeitsgefühl
zu einer bestimmten Kultur, zu einer bestimmten Gruppe produzieren.
Zugleich können durch Details oder die Art und Weise wie man
die Kleidung trägt, individuelle Codes formuliert werden. Die
G-Jacke kann also ein Ausdruck von Zugehörigkeit und zugleich
von Abgrenzung bzw. Individualität sein.
> Was könnte diese Skulptur für den Stadtteil bedeuten
oder bewirken?
Barbara Claassen-Schmal: Uns interessiert zunächst der Kommunikationsprozess,
der dazu führen soll, dass wir mit den Leuten zusammen diskutieren
und dabei Vorstellungen für eine Jacke entwickeln. Wichtig
ist der prozesshafte Charakter, der in die Realisierung der Jacke
münden soll.
Anke Sander: Die G-Jacke kann von allen getragen werden und hilft
trotz multikultureller Vielfalt im Stadtteil eine Idee von Gemeinsamkeit
und Identität zu entwickeln. Menschen treffen sich, die sonst
nichts miteinander zu tun haben, vielleicht entstehen daraus neue
Kontakte und Freundschaften.
> Die Realisierung der Jacke muss sich also noch in der Kommunikation
mit den Gröpelingern entwickeln!
Anke Sander: Ja, genau. Die bisherige Visualisierung der G-Jacke
ist z. Z. beispielhaft. Sie transportiert einfach nur unsere Idee.
Wir wollen die Menschen animieren eigene Ideen zu entwickeln und
Wege für die Realisierung aufzeigen.
Barbara Claassen-Schmal: Wenn die Jacke einmal vorhanden ist, wird
es interessant sein, wie sich dieses Objekt verhält. Wir wissen
eben nicht, ob diese Jacke jemals in Gröpelingen zu sehen sein
wird, ob sie massenhaft vorhanden ist, oder nicht. Oder ob sie in
der Welt vagabundiert, ob wir irgendwann ein Foto aus Australien
mit einer G-Jacke geschickt bekommen. So betrachtet, ist die Jacke
eigentlich ein Virus.
Anke Sander und Barbara Claassen Schmal leben und arbeiten in Bremen.
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